Im Interview: Christian Muche zur Zukunft von B2B Events - Teil 1

Christian Muche

Christian Muche

International agierender Geschäftsstratege, Mitbegründer von Wunderguard und der dmexco

Ob der Tag der Industriekommunikation Digital 2020, die Hannover Messe Digital Days oder im September die dmexco @home – viele große Events, die bislang durch ihre Präsenzveranstaltungen bekannt waren, sind in diesem Jahr – aufgrund der Corona-Pandemie – in die digitale Welt gestartet. Werden wir zukünftig verstärkt virtuelle oder hybride Events verfolgen? Werden Veranstaltungs-Studios zur Übertragung große Messehallen ersetzen? Wie werden sich B2B Events weiterentwickeln? Fragen, zu denen uns Christian Muche, international agierender Geschäftsstratege und Mitbegründer der dmexco, in diesem Interview Rede und Antwort steht.

Laut dem AUMA-Messe-Trend von 2020 sind Präsenzveranstaltungen in der B2B-Kommunikation nach wie vor ein großer Faktor – weltweite Events nehmen sogar noch weiter zu. Nun wurde diese Studie vor der Corona-Pandemie erhoben. Während des Lockdown sind Veranstaltungen abgesagt worden oder wurden in den digitalen Bereich verlagert. Herr Muche, wie sehen Sie den Trend „virtuelle Messen bzw. Veranstaltungen“ im B2B-Marketing?

Klassische Event-Formate wie Messen, Erlebnis-Events oder Konferenzen haben über viele Jahre hinweg einen Boom erlebt. Jedoch habe ich in den vergangenen Jahren bereits feststellen können, dass industrieübergreifend eine gewisse Müdigkeit von Seiten der Aussteller und Besucher um sich gegriffen hat. Dies liegt einerseits darin begründet, dass viele Veranstaltungen mit mehreren zehntausenden oder hunderttausenden Teilnehmern schlichtweg zu groß und unübersichtlich geworden sind und der Grund andererseits in der Flut von neuen, zusätzlichen Events zu suchen ist, die oftmals nur eine schlechte Kopie eines bestehenden Originals waren. Auslöser für dieses eher quantitative Wachstum sind vor allem technologische Trends wie zum Beispiel rund um die Mobilität der Zukunft, die dadurch viele neue Themen und Anwendungsfelder hervorgebracht haben.

Die andauernde Pandemie und ihre langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen und die damit verbundene Planungsunsicherheit verschärfen aktuell diese Entwicklung, da jetzt eine noch stärkere Selektion seitens der Aussteller vorgenommen wird. Manche stellen sogar Eventbeteiligungen grundsätzlich in ihrem Marketing-Mix in Frage. Die bisher so selbstverständlich empfundene vielfältige physische Präsenz eines Ausstellers bei mehreren Industrie-Events wird innerhalb der Unternehmen hinterfragt und – wie zum Beispiel im Automobilsektor – auch von außen starker öffentlicher Druck ausgeübt.

Diese Entwicklung und Veränderungen können Veranstalter aber durchaus für sich nutzen, in dem sie sinnvolle und kreative Hybrid-Modelle als Ergänzung eines Events-Brands anbieten. Dies kann und sollte in manchen Fällen und Industrien gerne auch ein ausschließliches digitales Angebot in diesem Jahr bedeuten, um den ausstellenden Unternehmen selbst eine Verschnauf- und Orientierungspause in dieser extremen Zeit zu gewähren. Es bringt meines Erachtens nichts, aus einem wirtschaftlichen Druck heraus die Unternehmen zu einer Teilnahme zu überreden mit dem Risiko einer späten, kostenintensive Absage oder einer aufgrund der Budget- und Ressourcenknappheit sub-optimalen Event-Vorbereitung für die Aussteller. Dies würde eher einen noch größeren Schaden anrichten anstelle die Geschäftsbeziehung mit individuellen Maßnahmen zu stützen und die Aussteller als Kunden für ein digitalisiertes Angebot in den nächsten Monaten zu begeistern. 

In Deutschland werden derzeit viele digitale Veranstaltungsformate getestet: Webinare, Workshops, virtuelle Messen mit virtuellen Ständen, hybride Veranstaltungen… Wie sehen Sie diese Entwicklungen? Welche Formate präferieren Sie und was müssen digitale Formate liefern?

Digitale Event-Erlebnisse oder virtuelle Event-Plattformen sind nicht neu – Unternehmen wie ON24 (führender Lösungsanbieter von Webinar, Webcasting und virtueller Ereignis- und Umgebungstechnologien) gibt es seit über 20 Jahren. Frühe Hindernisse wie mangelnde Bandbreiten haben sich aufgelöst und die Streaming-Welt hat uns gelehrt, dass das sog. „Appointment-Viewing“ keine Priorität mehr hat.

Digitale (on demand) Veranstaltungen können kreative neue Wege der Interaktion bieten, da sich immer mehr Unternehmensentscheider auf soziale Medien und Netzwerke auch in ihrem Geschäftsleben verlassen. Unternehmen können beispielsweise interaktive Segmentierungskriterien verwenden, um verschiedene Arten von Erlebnissen für bestimmte Zielgruppen anzubieten. Sie können auch auf detaillierte Profilinformationen, frühere Inhaltsnutzung und gemeinsame Teilnehmerziele zurückgreifen, um jeden virtuellen Teilnehmer in die Lage zu versetzen, während einer digitalen Veranstaltung produktiver zu sein, als dies bei einer physischen Konferenz oder Messe der Fall wäre. Unternehmen sind nicht mehr nur auf eine einmalige, zeitlich beschränkt stattfindende Veranstaltung beschränkt; sie können ein breites Spektrum an Aktivitäten zu einem ganzheitlichen digitalen Erlebnis kombinieren. 

Zur Person:

Christian Muche ist ein international agierender Geschäftsstratege, der an der Schnittstelle von Digital-, Marketing-, Technologie- und Eventbranche tätig ist. Als Mitbegründer von WUNDERGUARD kreiert er erfolgreiche Marken und hat als  Mitbegründer und Kopf hinter der DMEXCO das Tagesgeschäft der führenden globalen Veranstaltungsplattform für digitales Marketing 10 Jahre lang mit seinem Team geführt. 2019 startete Christian D:PULSE – die innovative globale Konferenzmesse im Boutique-Stil.
Privat lebt er seit mehr als 13 Jahren mit seiner Familie in Neuseeland und genießt dort verschiedene Outdoor-Sportarten, darunter Mountainbiking, Trekking und Tauchen.

Wie wichtig sind für Sie B2B-Veranstaltungen im gesamten B2B-Marketing-Mix? 

Ich bin ein Verfechter davon, dass B2B Veranstaltungen auch in Zukunft einen beachtlichen Anteil im Marketing-Mix ausmachen sollten, da die Vorteile auf der Hand liegen: Emotionalität, persönliche Überzeugungskraft, Individualität, Spontanität, Vertrauen und vieles mehr kann man am besten mit Hilfe von realen Begegnungen erlangen. Allerdings haben sich die Marktanforderungen bereits dahingehend verändert, dass Themen wie Nachhaltigkeit, Effizienz, Eliminierung von Streuverlusten oder spezifische Kundenpflege nur noch durch kreative bzw. individuellere Event-Formate sowie eine sinnvolle und konsequente Abstimmung von digitalen und analogen Maßnahmen glaubwürdig und erfolgreich bedient werden können. Diese Themen sowie eine zum Zwecke der Qualitätssteigerung bewusste Limitierung der Zielgruppen und kein quantitatives Wachstum mehr auf Teufel komm raus stellen die heutigen Auswahl-Kriterien für Aussteller und Teilnehmer dar.

Weiter?…

Wie schauen B2B Events in der Zukunft für Christian Muche aus? Welche Entwicklungen sieht er im internationalen Vergleich? Und welche B2B Marketing Trends sind international schon stärker vertreten als in Deutschland? Diese 3 Fragen beantwortet er im zweiten Teil unseres Interview. Seien Sie gespannt und lesen Sie weiter…