Interview: Marina Zayats zum Social Media-Potenzial von B2B Unternehmen

Ob LinkedIn, Facebook oder XING – für Marketingverantwortliche gehört der Blick auf soziale Netzwerke zum Alltag. Häufig haben Vertriebsmitarbeitende das Potenzial von Social Media auch erkannt und nutzen sie zu Informationszwecken. Doch wie sieht es insgesamt bei B2B Unternehmen aus? Nutzen Industrieunternehmen die sozialen Netzwerke, um ihre Markenkommunikation auszubauen? Sind sie mit den Spezifika von Social Media vertraut und ihnen gewachsen? In diesem Interview berichtet uns Marina Zayats, Co-Founder von Schaffensgeist, von ihren Erfahrungen.

 

 

Frau Zayats, Sie halten regelmäßig Workshops zu einem professionellen Umgang mit Social Media in B2B Unternehmen. Wie ist Ihr Eindruck? Wie gut sind Industrieunternehmen bei ihrer Social Media-Kommunikation?

Das ist sehr unterschiedlich. Es hängt von der Branche, den Produkten, den Services und den Unternehmen selbst ab. Bei vielen B2B-Unternehmen, die erklärungsbedürftige Dienstleistungen anbieten, merke ich, dass viele zu kompliziert denken, zu verwirrend kommunizieren und nicht mit der Klarheit auftreten, die es für Social Media braucht. Sie haben in den letzten Jahren, was ihre Präsenz auf Social Media angeht, zwar nachgerüstet, aber noch nicht gut genug. Das Auftreten ist zu technisch. Die Unternehmen agieren meistens nach dem Prinzip: “Hauptsache alle verstehen genau, was wir alles anbieten.” Außerdem fehlt vielen noch die Souveränität, professionell auf Social Media zu agieren. Häufig gewinnt man den Eindruck, da sitzt der Werkstudent und postet etwas. Und dann wird erwartet, dass die Mitarbeiter das teilen und liken.

Beim Social Media Auftritt geht es aber nicht nur um die Technik. Das reine Bedienen von Social Media kennen viele Digital Natives. Aber nicht jeder kann deswegen automatisch Unternehmenskommunikation, Community Management und Content.

Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe sehe ich noch viel Aufholbedarf. Die Qualität ihrer Produkte entspricht oftmals noch nicht der Qualität ihres Außenauftritts.

 

Wenn Sie von Aufholbedarf sprechen, von einer Klarheit und Einfachheit, was meinen Sie damit? Welcher Content ist entscheidend?

Bevor man über Content-Formate nachdenkt, geht es bei Social Media darum, seine Zielgruppen zu definieren und zu verstehen, wie ich diese erreiche. Entscheidend ist hierbei, dass meine Zielgruppe mir zunächst Aufmerksamkeit schenkt und im nächsten Schritt sich auch tatsächlich mit meinem Content beschäftigt. Um das zu erreichen, brauche ich eine einfache Sprache, eventuell auch mit Metaphern. Einfach bedeutet hier keinesfalls banal. Viele Experten denken, dass man kompliziert schreiben muss, um professionell zu wirken. Das stimmt nicht. 

Und natürlich darf man auch nicht vergessen, wer der Absender des Contents sein soll: Das renommierte Edelmann Trust Baromter zeigt deutlich, dass die Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiter gestiegen ist, während das Vertrauen in Unternehmens-Accounts über die letzten Jahre eher weiter sinkt. Das ist ein Potenzial, das viele Unternehmen noch nicht nutzen. Social Media ist nun einmal viel wirkungsvoller, wenn die eigenen Mitarbeiter dort aktiv werden und kommunizieren. Deshalb sind Unternehmens-Accounts in ihrer Reichweite ja auch begrenzt. Social Media pusht Personen und nicht Unternehmens-Auftritte.

 

Personen also und weniger Unternehmens-Auftritte. Da kommt einem direkt der Begriff „Corporate Influencer“ in den Kopf. Was ist der Unterschied zwischen Markenbotschaftern und Corporate Influencern?

Klassische Markenbotschafter sind Menschen, die sich die Marke des Unternehmens überstülpen und darüber berichten: Sie nehmen Nachrichten oder Posts und teilen diese in ihrem Netzwerk. Mein Kollege, Klaus Eck, nennt Menschen, die lediglich Nachrichten von ihrem Arbeitgeber ungefiltert weiterteilen auch „Klon-Krieger“. Das finde ich sehr treffend. Hinter dem Begriff „Corporate Influencer“ stehen hingegen Menschen, die ihre eigenen Themen, ihre Expertise und Haltung vertreten. Dabei überlegen sie sich, welche Parallelen sie zur Unternehmensmarke haben und schaffen immer wieder den Kontext von Personal Brand zu Corporate Brand. Sie setzen sich meist stärker mit dem Unternehmen auseinander als gewöhnliche Mitarbeiter. Sie sprechen aber nicht die ganze Zeit über das Unternehmen, sondern greifen ab und zu relevante Themen auf.

 

Was heißt „ab und zu“ aufgreifen? Gibt es einen Richtwert, wie oft Unternehmens-News aufgegriffen werden sollten?

Hier gilt wie so oft: die Mischung machts. Meinen Workshop-Teilnehmern rate ich aber immer zu einem Verhältnis von zwei Dritteln eigener Content, ein Drittel Unternehmens-Content. Sonst wird es zu viel.

 

Wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter motivieren möchte, sich im Corporate Influencing zu engagieren, fragen sich viele sicherlich nach dem Aufwand: Wie viel Zeit muss man für einen Post einrechnen?

Zeittechnisch würde ich für einen Post pro Woche 3 Stunden rechnen. Das beinhaltet die Recherche, das Aufsetzen des Posts, das Posten und dann aber auch das Community-Management. Das heißt, dass ich auf Kommentare und auf die Posts meiner Zielgruppe reagiere.

 

Sie haben auch darüber berichtet, dass immer mehr CEOs oder die Führungsebene von B2B Unternehmen auf LinkedIn aktiv werden wollen. Warum?

Ganz einfach: Sie erkennen die Relevanz. Zu mir kommt niemand, der mir sagt, überzeuge mich doch einmal, warum ich auf LinkedIn aktiv sein soll. Sondern zu mir kommt der CEO, der sieht, wie erfolgreich sein Mitarbeiter auf LinkedIn ist, der mitbekommt, wie ein anderer Geschäftsführer auf seine Posts 400 Likes bekommen hat, und sagt, das möchte ich auch. Das heißt, einigen Führungsebenen von B2B Unternehmen wird die Relevanz bewusst, sie wollen geschult werden und dann Vorbild für ihre Angestellten sein. Denn nur so können sie glaubhaft vermitteln, dass Corporate Influencer im Unternehmen gewünscht werden. Sie können den Mitarbeiter*innen die Angst nehmen, in den sozialen Netzwerken sichtbar zu sein. Es geht um die digitale Souveränität, die den Mitarbeitern vorgelebt und vermittelt wird.

 

Und wie gelingt dieser Einstieg als CEO? Was sind Ihre Top 3 Tipps?

Das Allerwichtigste ist zunächst die Positionierung: Also zu verstehen, für was stehe ich als Vorstand und wo ist die Verbindung zur Unternehmensmarke. Und auch: Wofür möchte ich mich positionieren? Bei Vorständen geht es meist um klare Ziele, um den wirtschaftlichen Nutzen und nicht um Selbstdarstellung. Sie wollen das Unternehmen z.B. für neue Bewerber sichtbarer und attraktiver machen oder die Akzeptanz von Social Selling im Vertrieb steigern. Ist das Ziel definiert, muss als nächstes der Ist-Zustand analysiert werden. Das heißt, man schaut sich die jeweiligen Profile auf LinkedIn oder Xing an und analysiert, welche Inhalte dort vorhanden sind. Häufig sind sie noch sehr verwaist oder lediglich mit Unternehmens-Content befüllt. Es fehlt die Persönlichkeit, die das ganze natürlich interessanter macht.

 

Social Selling haben Sie gerade schon erwähnt. Das Thema ist im vergangen Jahr sehr gehyped worden. Wie wichtig ist Social Selling für Sie?

Social Selling gehört für mich fest in den Vertriebsalltag integriert. Es ist ein Werkzeug und auch ein Mindset, das jeder Mitarbeiter genauso beherrschen sollte wie das Telefon oder persönliche Treffen. Beispiel Social Listening: Jeder Vertriebsmitarbeiter sollte sich, bevor er auf einen Kunden trifft, über die sozialen Netzwerke über diesen informieren. Das ist für mich schon ein Teil von Social Selling. Es geht einfach nicht mehr ohne. Rund 75 % der B2B Einkäufer informieren sich per Social Media über B2B Verkäufer. Wer dort nicht präsent ist, wird viel später oder gar nicht im Kaufprozess berücksichtigt.

 

Wie sieht es mit Social Selling Tools aus?

Es gibt Tools, die totaler Humbug sind. Und es gibt welche, die essentiell wichtig und notwendig sind. Generell ist es aber wichtig, dass die Vertriebsmitarbeiter erst einmal lernen, was sie z.B. mit dem LinkedIn-Basic Account anstellen können, bevor sie Social Selling-Tools an die Hand bekommen. Zunächst müssen die Grundlagen sitzen. Es ist wichtig zu verstehen, wie man online Beziehungen aufbauen und pflegen kann. Umgedreht, erst Tool, dann Basics erlernen, geht meistens schief.

 

Frau Zayats, vielen Dank für diese interessanten Einblicke und für den Appell an die Notwendigkeit eines souveränen Umgangs mit Social Media in B2B-Unternehmen!

 

Marina Zayats

Marina Zayats

Co-Founder von Schaffensgeist

 

 

 

 

Zur Person:

Marina Zayats ist Co-Founder der Agentur „Schaffensgeist“ und freie Beraterin für Corporate Communication, Digital Personal Branding & Social Selling. Sie hilft Unternehmen – von Tech Start-Up bis Konzernen – dabei, ihren Außenauftritt gekonnt zu steuern und zielführende Beziehungen aufzubauen. Vorstände werden von ihr befähigt, ihre digitale Identität in Social Media aufzubauen und für die Ziele des Unternehmens einzusetzen. Sie trainiert Vertriebsteams dabei Social Media als wichtigen Vertriebskanal für sich zu nutzen und Social Selling in der Unternehmens-DNA zu verankern.

Ihr Buch „Digital Personal Branding. Über den Mut, sichtbar zu sein.“ ist im August 2020 im Springer Gabler Verlag erschienen.